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Ein Forscher aus dem Ausland wird zu einem Vorstellungsgespräch an eine Universität oder Forschungseinrichtung nach Deutschland eingeladen. Hat er Anspruch auf die Übernahme aller mit der Reise entstehenden Kosten durch den potenziellen Arbeitgeber? Welche Regelungen gelten?
Handelt es sich um ein Vorstellungsgespräch für ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis, ist der Arbeitgeber nach § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Bewerber in diesem Fall die Reisekosten in verkehrsüblicher Höhe zu erstatten. Dieser Anspruch ist aber abdingbar. Das heißt: Der Arbeitgeber kann den Erstattungsanspruch ausschließen, indem er vorher den Bewerber ausdrücklich darauf hinweist, dass etwaige Kosten nicht übernommen werden.
Handelt es sich um ein Vorstellungsgespräch für eine Beamtenstelle, gilt je nach Arbeitgeber das Reisekostenrecht des Bundes oder des betreffenden Bundeslandes. Grundsätzlich gilt hiernach, dass Vorstellungsreisen nur als erstattungsfähige Dienstreisen gelten, wenn man bereits Beamtin bzw. Beamter ist und zur Vorstellung aufgefordert wurde. In anderen Fällen, also wenn man noch keine Beamtin bzw. Beamter ist, kann eine Reisekostenerstattung bei Vorstellungsgesprächen für eine Beamtenstelle nach Maßgabe der jeweils geltenden Richtlinien, Erlasse und Beschlüsse erfolgen. Diese sind recht unterschiedlich: Zum Teil erfolgt keine Erstattung, oder nur eine Erstattung von Fahrtkosten, nicht aber von Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Teilweise werden Anreisekosten aus dem Ausland von der Erstattung ausgeschlossen oder nur zur Hälfte erstattet. Es gibt auch Regelungen, die eine Reisekostenerstattung für Vorstellungsgespräche in das Ermessen der jeweiligen Fakultät stellen. Zum Beispiel kann danach eine Erstattung zu Lasten des Fakultätsbudgets gewährt werden, wenn eine Aufnahme der Bewerberin bzw. des Bewerbers in die Vorstellungsliste wahrscheinlich ist. -
Anfrage eines erfahrenen Wissenschaftlers eines ITN (Initial Training Network), der drei Monate nach Arbeitsende eine offensichtlich vom deutschen Gastgeber und Arbeitgeber falsch berechnete, jedoch vertraglich fixierte Summe zurückzahlen soll. Für ITN-Fellows sind die Gehaltsbestandteile in den entsprechenden Richtlinien der EU genau festgelegt. Diese müssen den Fellows in voller Höhe ausgezahlt werden. Eine höhere Gehaltszahlung ist laut EU-Richtlinien möglich, aber nur aus eigenen Mitteln, also nicht ITN-Projektmitteln. Laut EU gilt bei den Arbeitsverträgen jeweils das länderspezifische Arbeitsrecht, Steuerrecht etc. Wie kann man hier vorgehen?
Bei möglichen Gehaltsüberzahlungen an Arbeitnehmende ist die Rechtslage wie folgt:
♦ Zunächst ist entscheidend, welche Vergütung Arbeitgeber und Arbeitnehmende vereinbart haben. Hat der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag einen Fehler gemacht, indem der Arbeitgeber eine zu hohe Vergütung in den Vertrag geschrieben hat, kann dieser Fehler nur binnen weniger Tage nach Entdeckung des Fehlers durch eine Anfechtung dieses Inhaltsirrtums gegenüber den Arbeitnehmenden korrigiert werden. Unterbleibt die Anfechtung, wird die im Vertrag niedergelegte Vergütung dauerhaft bindender Vertragsbestandteil und kann nur noch durch eine Änderungskündigung korrigiert werden.
♦ Die Position des Arbeitgebers ist besser, wenn der Arbeitsvertrag auf die maßgeblichen externen Grundlagen (z.B. EU-Richtlinien, spezielle Förderprogramme oder einen Tarifvertrag) verweist. Weichen die Vergütung laut Arbeitsvertrag und dem in Bezug genommenen externen Regelwerk voneinander ab, so kann der Arbeitgeber den Widerspruch ebenfalls durch eine zeitnahe Anfechtungserklärung korrigieren.
♦ Ist die Überzahlung ohne vertragliche Grundlage erfolgt (Beispiel: das vertragliche Nettoentgelt beträgt 2.800 Euro, der Arbeitgeber zahlt jedoch versehentlich 3.800 Euro netto aus), so kann der Arbeitgeber auch nach längerer Zeit noch die Rückzahlung des überzahlten Betrages verlangen. Arbeitnehmende können jedoch einwenden, den überzahlten Betrag inzwischen für die notwendigen Lebenshaltungskosten ausgegeben zu haben, wenn dies den Tatsachen entspricht. Ist das Geld hingegen noch vorhanden, so müssen Arbeitnehmende es erstatten.
Enthält der Arbeitsvertrag oder ein in Bezug genommener Tarifvertrag (z. B. der TVöD) eine Ausschlussklausel, so gilt diese auch zu Lasten des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss daher eine Überzahlung innerhalb der vereinbarten Ausschlussfrist geltend machen.
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Ein Forschender besitzt die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes sowie eines Drittstaates. Der Wohnsitz liegt im Drittstaat. Dieser Forschende wird an einer deutschen Universität angestellt, wo ihm ein zweijähriges Beschäftigungsverhältnis angeboten wird. Darf die Universität beim Ausstellen des Arbeitsvertrags den Forschenden ausschließlich als EU-Staatsangehörigen behandeln oder soll die doppelte Staatsbürgerschaft in irgendeiner Form berücksichtigt werden? Welchen Einfluss hat die doppelte Staatsangehörigkeit auf die Sozialversicherung in Deutschland in diesem Fall?
Diese Frage ist aus drei rechtlichen Gesichtspunkten zu beleuchten. Es gilt zu beleuchten, was aus aufenthaltsrechtlicher, aus arbeitsrechtlicher und aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive zu beachten ist.
1. Aufenthaltsrecht
Aufenthaltsrechtlich ergeben sich aufgrund der doppelten Staatsbürgerschaft des EU-Bürgers keine Besonderheiten. Alle EU-Staatsangehörige genießen innerhalb der EU unabhängig von einer etwaigen weiteren Staatsbürgerschaft zu einem Drittstaat Freizügigkeit. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des EU-Freizügigkeitsgesetzes (FreizügG/EU) sind Unionsangehörige freizügigkeitsberechtigt, die sich als Arbeitnehmende in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Eine weitere Staatsbürgerschaft eines Drittstaates lässt die Unionsbürgerschaft und das mit ihr einhergehende Recht der Freizügigkeit unberührt.
2. Arbeitsrecht
Auch arbeitsrechtlich sind keine Besonderheiten zu beachten. Das deutsche Arbeitsrecht folgt dem Territorialitätsgrundsatz. Dies bedeutet, dass für ein in Deutschland bestehendes Arbeitsverhältnis deutsches Arbeitsrecht anwendbar ist, unabhängig von der Staatsbürgerschaft des Arbeitnehmers. Denn Art. 8 Abs. 2 ROM-I-VO regelt, dass Arbeitsverhältnisse grundsätzlich dem Recht des Staates unterliegen, in dem Beschäftigte gewöhnlich ihre Arbeit zu verrichten haben, soweit keine abweichende Rechtswahl getroffen wurde. Hinsichtlich eines befristeten Arbeitsvertrages bedeutet dies insbesondere, dass das WissZeitVG und das TzBfG zu beachten sind. Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ist eine Befristung ohne Sachgrund bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig, nach dem WissZeitVG sogar bis zur Dauer von sechs Jahren. Vorliegend ist diese Zeitspanne nicht überschritten. Zudem dürfte die Forschungstätigkeit einen Sachgrund iSd TzBfG darstellen.
3. Sozialversicherungsrecht
Hinsichtlich des Sozialversicherungsrechts gilt es zu differenzieren. Grundsätzlich gilt gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV in Deutschland ebenfalls das Territorialitätsprinzip. Dies bedeutet, dass ein inländisches Arbeitsverhältnis in der Bundesrepublik Deutschland unabhängig von der Staatsbürgerschaft der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Vereinfacht: eine Person, die in Deutschland ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist, ist auch in Deutschland sozialversicherungspflichtig.
So stellt sich die Situation auch dar, wenn Unionsangehörige, die zuvor in einem Mitgliedstaat sozialversichert waren ein Beschäftigungsverhältnis in Deutschland eingehen. Eine zusätzlich bestehende Staatsangehörigkeit zu einem Drittstaat ist hierbei unbeachtlich. Gemäß Art. 11 Abs. 1, 3 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 besteht die Sozialversicherung in dem Mitgliedstaat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Art. 6 dieser Verordnung bestimmt, dass etwaige Versicherungszeiten jeweils angerechnet werden. Eine Befreiung auf Antrag ist nach Art. 16 möglich, aber der Ausnahmefall. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist jedoch, dass die Person bereits in ein Sozialversicherungssystem eines Mitgliedstaates eingebunden war. Hatte die Person ihren Wohnsitz und ihren Beschäftigungsort in einem Drittstaat, mit der Folge dass sie nicht in einem Mitgliedstaat der EU sozialversichert war, gelten für sie die vorgenannten Bestimmungen nicht, sondern die §§ 3 – 6 SGB IV.
Hinsichtlich eines Drittstaates hängt die Beantwortung der Frage davon ab, ob zu diesem Drittstaat ein bilaterales Abkommen in Form einer sogenannten „Ausnahmevereinbarung“ besteht. Eine Liste der Drittstaaten, die ein solches Abkommen mit der BRD geschlossen haben, sind auf der Website der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland einsehbar. Soweit ein solches Abkommen besteht, kann bei der zuständigen Stelle des Drittstaates ein Antrag gestellt werden, in Deutschland von der Versicherungspflicht befreit zu werden, um weiterhin der Sozialversicherung des Heimatlandes zu unterfallen. Entsprechende Kontaktdaten finden Sie hier.
Für den vorliegend geschilderten Fall bedeutet dies Folgendes: Arbeitnehmende mit doppelter Staatsbürgerschaft, die in einem Drittstaat zuvor gelebt und sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben, können im Falle des Vorliegens einer Ausnahmevereinbarung einen Befreiungsantrag stellen. Besteht ein solches Abkommen nicht, sind sie in Deutschland sozialversicherungspflichtig. Sollte das Arbeitsverhältnis die fünfjährige Wartezeit, die Voraussetzung für den Erwerb eines Leistungsanspruches in der deutschen Rentenversicherung ist, nicht überschreiten, haben sie jedoch hinsichtlich der gezahlten Rentenbeiträge einen Erstattungsanspruch gemäß § 210 Abs. 1a SGB VI, soweit ein Rückumzug ins Nicht-EU-Ausland erfolgt. Die Erstattung erfolgt nur auf Antrag und erst nach Ablauf von 24 Monaten ab Beendigung der Beschäftigung. Formulare und weitere Informationen finden sich auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung Bund.
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Zuletzt aktualisiert: 11. Januar 2022